#09: Sollen wir es wagen? Ein Besuch im gezeichneten Grampians National Park
Auf den Grampians National Park haben wir uns schon lange sehr gefreut und ihn auch fix in unsere Reiseroute eingeplant. Vier Nächte – aufgeteilt auf zwei Campingplätze – wollten wir in diesem Nationalpark verbringen. Doch bereits etwa 10 Tage vor unserem geplanten Aufenthalt wurden wir informiert, dass der eine Campingplatz aufgrund der seit Mitte Dezember herrschenden Waldbrände in und um den Nationalpark noch für eine ganze Weile geschlossen bleiben werde. Der zweite Campingplatz war weiterhin geöffnet und zugänglich. Wir haben sehr lange hin und her überlegt, ob wir den «Umweg» in die Grampians unter diesen Bedingungen auf uns nehmen möchten. Wir haben die Lage vor Ort auf verschiedenen Kanälen verfolgt: auf der Nationalpark-Seite, der «VicEmergency»-App und -Webseite und in jedem Visitor Centre haben wir nach Updates gefragt. Einmal haben wir auch mit dem Visitor Centre vor Ort telefoniert.
Der Nationalpark ist sehr gross und es war zum Glück nicht der ganze Park von den gewaltigen Waldbränden betroffen. Obwohl viele Teile des Parks geschlossen waren, gab es noch immer Gebiete, die «offen» und bedenkenlos besucht werden konnten. Just an dem Morgen, wo wir planmässig in die Grampians gefahren wären, wurde unter anderem die Hauptverbindungsstrasse von Dunkeld nach Halls Gap wieder eröffnet. Ein gutes Zeichen, doch wir waren noch immer unsicher. Wir kennen uns mit Waldbränden überhaupt nicht aus und können die Lage nur schlecht einschätzen. Natürlich sind wir uns im Klaren, dass es in Punkto Sicherheit kein Problem sein wird, den Park zu besuchen. Der Park respektive Teile davon werden nur geöffnet, wenn keine Gefahr mehr droht.
Doch wie sieht es denn dort aus? Stinkt alles nach Rauch? Ist die Luft stickig und die Sicht trüb? Kann man (in der Ferne) noch aktive Brandherde sehen? Kurzum: Ist es dort denn noch «schön»?
Andererseits leben die Bewohnerinnen und Bewohner von Halls Gap ja auch dort, also können die Umweltbedingungen nicht so schlimm sein. Und diese hat es wirklich hart getroffen: Sie machen fast einen Drittel ihres Jahresumsatzes in den wenigen Wochen zwischen Weihnachten und Ende Januar (während den Sommerferien). Das erste Feuer brach am 16. Dezember 2024 aus, unser Aufenthalt war vom 24. – 28. Januar geplant. Also genau über das letzte Sommerferienwochenende der Aussies… Halls Gap ist somit um jeden Besucher/jede Besucherin dankbar.
In unserer (vielleicht etwas naiven) Vorstellung ist nach einem Waldbrand vom Wald einfach nichts mehr übrig. Es stehen keine Bäume und Büsche mehr, höchstens noch ein paar verkohlte Baumstrünke. Blätter, Gräser, Moose: alles verbrannt – alles in Schutt und Asche gelegt. Doch trifft das wirklich zu?
Handkehrum ist der Park riesig (mit seinen 1672.19 km² gleich gross wie der Kanton Freiburg) und wir könnten uns auf die nicht betroffenen Gebiete beschränken. Wir beschliessen, einfach mal zu gehen und uns überraschen zu lassen. Notfalls wären wir schnell wieder weg. Nachdem wir in den Deep Blue Hot Pools (dazu mehr in unserem letzten Blogeintrag) neue Energie getankt haben, machen wir uns abends um halb 7 auf den Weg zu unserem über 2.5h entfernten Campingplatz in den Grampians. Ungünstig, nach einem «vollen» Tag nachmals so weit zu fahren. Ungünstig aber auch, weil wir es nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit ans Ziel schaffen werden und in der Dämmerung die Tiere am aktivsten sind. Wir haben es glücklicherweise ohne Wildunfall ans Ziel geschafft, entspannt war die Fahrt allerdings nicht.
Gleich am nächsten Morgen besuchten wir das Visitor Centre, um uns auf den aktuellen Stand bringen zu lassen. Da wir in den letzten paar Tagen sehr viel gesehen und erlebt haben, legten wir zuerst einmal einen gemütlichen Campingplatz-Tag ein. Am kommenden Tag machten wir uns auf in den äussersten Norden des Parks, zum Mount Stapylton, wo wir eine abwechslungsreiche Rundwanderung unternahmen. Sie wurde zu einer unserer Lieblingswanderungen in Südostaustralien!
Von verschiedenen Aussichtspunkten kann man (normalerweise) eine herrliche Aussicht über weite Gebiete des Parks geniessen. Im Moment sieht man zumindest einen Teil der Auswirkungen von den verheerenden Waldbränden. Uns erstaunt, dass es zwar grosse abgebrannte Flächen gibt, aber dazwischen auch immer wieder unversehrte grüne Flächen übriggeblieben sind. Noch beeindruckender war die Fahrt auf der Hauptverbindungsstrasse von Halls Gap nach Dunkeld, wo man während rund einer Stunde links und rechts der Strasse fast nur angekohlte Bäume sah. Dennoch hat es bereits überall wieder neue grüne Triebe oder ein paar Blätter und Gräser, die die Feuersbrunst überstanden haben. Wir fühlten uns, als würden wir durch ein Katastrophengebiet fahren und trauten uns kaum anzuhalten, auszusteigen und ein paar Bilder zu machen, weil es sich irgendwie falsch anfühlte. Hinzu kam die ungeheure Hitze: Die Temperaturen erreichten an dem Tag, als wir den Park wieder verliessen und zurück an die Küste fuhren, 42.5 Grad. Ein Fünkchen würde reichen, um einen neuen Brand zu entfachen… So waren wir dann doch erleichtert, als wir wieder an die etwas kühlere Küste kamen. Im Nachhinein haben wir erfahren, dass der Park lediglich 1-2 Tage nachdem wir ihn verlassen, wieder geschlossen werden musste, da mehrere Blitzeinschläge neue Feuer entfacht haben.
Wir waren froh, dass wir uns getraut haben, den Park unter diesen suboptimalen Bedingungen zu besuchen. Trotzdem war es möglich, wunderschöne und grösstenteils unversehrte Teile des Parks zu besuchen. Wir können uns jetzt nicht nur ein besseres Bild davon machen, wie es nach einem Waldbrand im betroffenen Gebiet aussehen kann, sondern auch die Fragen beantworten, die wir uns vorgängig gestellt haben:
Doch wie sieht es denn dort aus?
Es hat überhaupt nicht unseren Vorstellungen entsprochen. Weder waren alle Bäume komplett abgebrannt, noch gibt es keinerlei Blätter, Gräser und sonstige Pflanzen mehr. Viele Pflanzen benötigen Feuer, damit sie wieder keimen können. Die Pflanze unten links beispielsweise beginnt innerhalb von acht Tagen nach einem Brand wieder zu wachsen. Der Blütenstängel wächst bis zu 15 cm pro Tag! Anhand unserer Bildergalerie ist am besten ersichtlich, wie es hier ausgesehen hat.
Stinkt alles nach Rauch?
Nein, während unseres Aufenthalts haben wir keinen Rauch gerochen.
Ist die Luft stickig und die Sicht trüb?
Nein, die Luft war klar und man hatte eine gute Weitsicht.
Kann man (in der Ferne) noch aktive Brandherde sehen?
Nein, wir konnten weder Feuer noch Rauchschwaden o.ä. ausmachen.
Ist es dort denn noch «schön»?
Unsere Antwort ist dem obigen Text zu entnehmen :-) Bilde dir selbst eine Meinung, indem du unsere Bildergalerie besuchst.